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Karl Kraus und die Moderne
pp. 503-517
Abstract
Karl Kraus polemisierte nicht nur — wie in seiner "Erklärung" vom Juni 1912 gegen den Futurismus der Zeitschrift Der Sturm (F 351/353, 1912, 53f.)1 — gegen allerlei "Ismen", Moden, Gruppierungen, Parteien, allerlei inszenierte literatur-politische Aktionen; er unterzog die programmatischen wie die journalistischen und belletristischen Phrasen seiner Sprachkritik. Seine negative Einstellung zu Richtungen wie Jung-Wien, Expressionismus, Dadaismus, zum modernen Kanon, zum Roman, haben Literaturhistoriker gegen die Verknüpfung "Karl Kraus und die Moderne" auf verschiedene Art voreingenommen. Kraus wurde in den sechziger und siebziger Jahren als Sprachsatiriker etwa gleichzeitig mit Nestroy, als "traditionell" österreichischer Sprachdenker, neu entdeckt 2 Eine Richtung der Krausforschung hat ja die geistige und moralische Erhabenheit des Einzelgängers Kraus über die Zeitströmungen betont 3 oder, daran anknüpfend, ihn in eine österreichische Tradition der Verklärung der Vergangenheit, ob des Vormärz ob jener "figürlichen Achtziger Jahre" (F 462/471, 1917, 183) des alten Burgtheaters gestellt 4 Sein Bekenntnis zum "Ursprung" ist aber zu oft als ein absolutes, ohne Bezug auf die polemisch-funktionelle Eingliederung aufgefaßt worden.5 Diese wird schon in seinem "Bekenntnis' als "einer von den Epigonen, die in dem alten Haus der Sprache wohnen" (F 443/444, 1916, 28), bei der paradoxen Betonung des Kämpfer-Mythos statt des Nachahmers im Worte "Epigone" sichtbar.
Publication details
Published in:
Rothemann Sabine, Piechotta Hans Joachim, Wuthenow Ralph-Rainer (1993) Die literarische Moderne in Europa 1: Erscheinungsformen literarischer Prosa um die Jahrhundertwende. Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften.
Pages: 503-517
DOI: 10.1007/978-3-322-93604-2_22
Full citation:
Carr Gilbert (1993) „Karl Kraus und die Moderne“, In: S. Rothemann, H. Piechotta & R. Wuthenow (Hrsg.), Die literarische Moderne in Europa 1, Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften, 503–517.