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Zur Erschließung von Einzelnem aus Konstellationen
Negative Dialektik und "objektive Hermeneutik"
pp. 359-372
Abstract
Kritische Theorie und vor allem Th. W. Adornos Vermächtnis innerhalb der Frankfurter Schule steht unter dem Verdikt, in konträrem Gegensatz zu einem Wissenschaftsverständnis zu stehen, das auf lehr-lernbaren Verfahren der Erfahrungsgewinnung basiert. Adorno selbst hat explizit eine solche Gegnerschaft bestritten (1969, 129). Er nimmt für sich nur in Anspruch, über den Konformismus der Sprachspielgepflogenheiten etwa von Geisteswissenschaften hinauszugehen, Philologie nicht als Selbstzweck zu betreiben, sondern "Überinterpretationen" zu liefern (1968, 11). Denn er will der eigenen Phantasie mehr vertrauen als den Regeln und Techniken des Umgangs mit Texten, wie sie in den einzelnen geisteswissenschaftlichen Fächern tradiert werden. Genau dies aber hat ihm den Vorwurf des "philosophierenden Intellektuellen" (Habermas 1968, 35) eingetragen, des Einzelgängers, der sozusagen das Fach ‚Adornistik" vertritt. Nur wer über das Hintergrundwissen, die Erlebniswelt, die Denkweise und das begriffliche Instrumentarium Adornos verfügt, nur der kann so mit den Texten anderer Autoren umgehen, wie Adorno dies tut. Und nicht zufällig ist das Medium eines solchen interpretierenden Umgangs mit sprachlich gestalteter Wirklichkeit der Essay, der nach Adornos eigenen Ausführungen Erfahrungsgegenstände in einer Weise zu vermitteln vermag, in der Gegenständlichkeit nicht durch Abstraktion und Systematik verschüttet wird, sondern als Prozeß dargestellt werden kann.
Publication details
Published in:
Naeher Jürgen (1984) Die negative Dialektik Adornos: Einführung — Dialog. Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften.
Pages: 359-372
DOI: 10.1007/978-3-322-95466-4_13
Full citation:
Uhle Reinhard (1984) „Zur Erschließung von Einzelnem aus Konstellationen: Negative Dialektik und "objektive Hermeneutik"“, In: J. Naeher (Hrsg.), Die negative Dialektik Adornos, Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften, 359–372.